Der Beginn

Man kauft sich ja nicht alle Tage mal so schnell einen 12-Tonner, um damit seinen Urlaub zu verbringen. Und es ist ja zugegebenermaßen doch etwas exotisch, um es diplomatisch zu sagen, wenn man als halbwegs "junger Erwachsener" verbissenen Ernstes in die Realisierung derlei "Kindertäume" stürzt. Die letzte Inspiration, die dann auch den Ausschlag gab, war ein W50-Wohnmobil, über das ich in Berlin stolperte. Preis 10.000 DM, halb ausgebaut und schön anzusehen (es war allerdings 10:00 Uhr nachts). Meine Devise war abwarten und nachdenken. Dabei stieß ich auf meinen Cousin Ralf der sich mit ähnlichen Gedanken trug. Bei (relativ extensiven) Recherchen stieß ich dann auf ein paar recht günstig angebotene LKW. Ein großes Abwägen begann... Ralf spekulierte ja eigentlich auf einen Robur Werkstattbus – doch von diesen gibt es leider nicht mehr so viele. Ich schwankte zwischen W50 und L60, der eine ausgereift, solide und weit verbreitet – aber eben alt, um nicht zu sagen technisch bereits mit historischem Wert. Der andere noch ganz jung, evtl. auch mit einigen Kinderkrankeiten behaftet und nicht gerade ein Allerweltsfahrzeug..., aber stark, technisch noch recht aktuell und einfach schöner zu fahren. Nach einigen Gesprächen mit Leuten, die sich damit auszukennen schienen, fiel die Entscheidung für den L60. So langsam wurde die Sache ernst, Besichtigungstermine absprechen, Touren planen und dann ging es los. Zwischen Weihnachten und Neujahr 1998 klapperten wir alle uns bekannten Standorte zwischen Sachsen und Brandenburg ab, wobei das erste Exemplar bereits der klare Favorit war. Wenn auch schon etwas rostig, abgefahren und platt, vor allem aber vermüllt so weit es ging, wog doch das Argument des hervorragenden Werkstattcontainer dies alles auf.


IFA L60 1218 mit Werkstattkoffer Originalzustand im Januar 1999

Bei den Telefonaten und Besuchen gab es eine ganze Menge hilfreiche Tips, nicht nur technischer Art, sondern auch: wo gibt es noch mehr davon... So stolperten wir in Ludwigsfelde bei der Firma Thiele einfach so in ein "LKW-Museum", wo Ralf fast der Schlag traf: sein Traum, 6 (sechs) nagelneue Robur-Busse mit Allradantrieb. Der Preis holte ihn aber rasch zurück, bei ca. 30.000 DM schaute er dann lieber wieder L60 an – die waren zwar noch teurer, weil neu – ein Werkstattkoffer wie oben erwähnt war mit 54.000 DM (voll aber ohne Fahrzeug) im Angebot, aber dafür war es sehr interessant, den Originalzustand zu sehen... Bei der Gelegenheit habe ich mich dann noch fast selbst zu Tode gebracht, als ich mir beim fotografieren die Abdeckung des Stromaggregates auf den Kopf fallen ließ und dann die ganze Halle mit meiner Blutspur besudelte. Eine Woche später entschieden wir uns endgültig für den etwas rostigen L60 mit Werkstattcontainer – den gesuchten GFK-Absetzkoffer, wie er überall Kult ist, war leider nicht zu finden, wenigstens nicht in einer für uns sinnvoll bezahlbaren Region. (es gab sie leer für 800 DM – allerdings ohne Trägersystem, oder als "6-Mann Offiziersschlafwagen" für 3.000 DM und ein besonderer Leckerbissen war in Mahlow zu sehen: ein Stabskoffer mit Durchlichtkartentisch und fast schon luxeriöser Ausstattung).

Paralell dazu ritt mich wahrscheinlich ein wenig der Teufel, als ich bei der VEBEG eine Anfrage startete. Ich hatte diesen Hinweis in Ludwigsfelde bekommen und rief einfach dort an, ohne jede Ahnung von der Verfahrensweise zu haben. Wider Erwarten waren sogar fünf L60 im Angebot, davon sogar zwei mit der gesuchten Niederdruckbereifung. Kurz entschlossen schickte ich einfach mal zwei Gebote los. Inzwischen hatte ich den Handel mit der Agrargenossenschaft perfekt gemacht, in der "mein Containerauto" stand. Mit Freunden planten wir die "Heimführung" und mich plagte eigentlich nur die Neugier, als ich bei der VEBEG anrief um zu erfahren, zu welchem Preis die Fahrzeuge nun eigentlich verkauft worden sind. Ich begriff nicht gleich, was der Herr am anderen Ende meinte, als er mich fragte, ob ich meine Rechnung denn noch nicht bekommen hätte - ich war soeben Besitzer eines weiteren L60 geworden und es gab kein Zurück mehr. Zum Glück wurden beide als fahrbereit beschrieben und standen im Großraum Chemnitz. So brauchte ich nur noch einen zweiten Fahrer und die Tour konnte beginnen. Es war natürlich nicht so ganz unterhaltsam, als ich auf der Probefahrt mit dem Mechaniker einige unrunde Dinge feststellte, die Vorderachse schlug, Licht ging nicht, Standgas falsch eingestellt und zum Schluß verloren wir dann das Gasgestänge gänzlich. So verbrachten wir noch ungeplante vier Stunden in der Werkstatt der Agrargenossenschaft. Mit viel Mühe konnte ich dann noch eine – wenn auch gründlich verbogene – Abschleppstange ergattern, Ausrüstung, Werkzeug und Schweißgerät waren zu meiner Enttäuschung ausgebaut. Auf meine Frage, wo den das Stromagregat hin sei erklärte man mir, das sei gerade gestohlen worden – trotzdem die Klappe verschlossen war... ?

Langsam gerieten wir in Zeitverzug und auch der Himmel zog sich zu, es begann heftig zu schneien. Die Fahrt mit dem für mich doch noch etwas neuen Fahrzeug quer durch Chemnitz Feierabendverkehr war nicht ganz ohne. Ich stand mit der etwas grob eingestellten und ungewohnten Luftdruckbremse mehr als einmal quer auf der Kreuzung – sehr zur Freude der anderen Verkehrsteilnehmer. Nach einigem Suchen fanden wir 20 Minuten vor Feierabend das THW. Dort wurden wir zwar alles andere als freundlich empfangen "Quittung abgeben, dort ist der Werkstattleiter – Wiedersehn", aber der Werkstattleiter, ein sehr freundlicher Herr entschädigte für alles. Trotz Schneegestöber stellt er uns das Fahrzeug vor - Dienstname 'Hero' (warum auch immer??) und sagte entschuldigend, "da fehlen einge Lampen, hier wird öfters mal randaliert, was euch fehlt könnt ihr bei den anderen abbauen". Dieser freundlichen Einladung konnten wir natürlich nicht entsagen und so war das Fahrzeug binnen einer halben Stunde wieder mobil, neue Batterien und nach zwei Umdrehungen schnurrte der Diesel wie ein kleines Kätzchen – ich war verliebt!. Nach fünf Minuten war auch wieder Druck auf der Bremsanlage und es konnte losgehen. Mit dem Rückwärtsgang stand ich ein wenig auf dem Kriegsfuß, so schob ich den Erdhaufen, vor dem ich stand erst mal etwas breit, beim zweiten Versuch war er aber drin. Alle standen mindesten so beeindruckt wie ich um das Auto und waren sichtlich angetan davon, wie die großen Ballonreifen sich durch den Matsch und über die umherliegenden Stahlträger wühlten. Ich hatte zwar dabei ein etwas komisches Gefühl, als wäre die Handbremse noch angezogen, sagte mir aber dann, in 500 Metern ist der Druck voll da, dann läuft das schon. Ich wechselte das Fahrzeug und wir verabredeten uns an der nächsten Tankstelle. Nach einiger Zeit verlor ich Carsten und Marco im Rückspiegel, kurz darauf kam per Handy der Notruf: "Wir stehen auf dem Acker, die Bremse spinnt". Also mit dem Vectra zurück. Es war nicht nur dunkel, sondern schneite auch ganz erbärmlich. Nun schauten wir alle wie die Kuh auf die Hinterachse mit den angezogenen Bremszylindern und zupften etwas an den Seilen, nur um überhaupt etwas zu tun. Nix. Also die nächste Werkstatt suchen (18:30) ohne Erfolg, man verwies uns an IVECO, die hätten früher auch den IFA-Service gemacht. Sicherheitshalber riefen wir vorher noch einmal an – bis 20.00 Uhr ist der Notdienst da. Ich fuhr nun mit den undefinierbaren Bremschschaden quer durch die verschneiten Straßen von Chemnitz und versuchte ohne Bremse auszukommen – das rechte Vorderrad wurde bedenklich warm. Nach einer Stunde Odysse erreichten wir die gesuchte Werkstatt – dunkel, lediglich der ADAC-Pannendienst war gerade dabei die Werkstatt zu verschließen. Ich sah uns im Geiste schon patschnaß zu fünft mit einer Wolldecke im Werkstattcontainer nächtigen, wir beschlossen dann, das eben erst gewonnene Fahrzeug nebst Papieren vertretungsweise in die Obhut des ADAC zu übergeben und nur mit einem LKW die Heimreise anzutreten. Nach Mitternacht waren wir wirklich ohne jeden weiteren Zwischenfall zu Hause – nicht ganz glücklich, aber immerhin.

Der nächste Tag brachte dann einen Anruf aus Chemnitz und einen Kostenvoranschlag, die Bremstrommel war geplatzt, weil noch Restdruck im Bremssystem war. Dies zu beheben dauerte drei Tage und fraß von meinem ohnehin schon gebeutelten Konto weitere 70 % des Kaufpreises.

Die zweite Abholtour drei Tage später und nur mit Carsten verlief ohne jedes Problem und nun hatte ich glücklich doch beide Kandidaten auf dem Hof. Nun begann das große Planen.

...Fortsetzung im Baureport


IFA L60 1218 'Hero' mit Pritsche Originalzustand im Januar 1999

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aktualisiert am
13.01.02

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