IFA Geschichten III.

Der VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde

Die relativ zwiespältige Vorgeschichte des heute leistungsfähigsten Nutzkraftfahrzeugproduzenten der DDR begann vor über 50 Jahren. Im Rahmen einer Übereinkunft zwischen dem Reichsluftfahrtministerium und der Daimler-Benz AG zur Fertigung von Flugzeugmotoren wurde am 24.Januar 1936 die Daimler-Benz-Motoren GmbH Genshagen gegründet.

Den Standort in der Genshagener Heide hatte man wegen des billigen Baugrunds und der verkehrsgünstigen Lage gewählt. Die in kurzer Zeit errichteten Werkanlagen waren teilweise von Anfang an unterirdisch angelegt - ein Hinweis auf die beabsichtigte Rüstungsproduktion. Die Fertigung begann im Februar 1937 mit 5600 Beschäftigten. Während des Krieges wurden hier zunehmend ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt. Das schwärzeste Kapitel der Geschichte dieses Rüstungsbetriebes brach 1944 mit der Einrichtung eines Konzentrationslagers in einer der Werkhallen an. Die Zerschlagung des Faschismus war verbunden mit der Zerstörung des Motorenwerkes.

Nach dem Krieg wurde auf dessen Gelände der VEB Industriewerke Ludwigsfelde errichtet, dessen erster Produktionsabschnitt im Dezember 1952 eingeweiht werden konnte. Hergestellt wurden nun Schiffsdieselmotoren, Kleintransporter ("Dieselameisen"), Triebwerke, geländegängige Kübelwagen des Typs P3 sowie Schmiedeteile, Spezialmaschinen und sogar Elektrodenstrahl-Mehrkammeröfen. Im Jahre 1954 begann die Produktion des populären Motorrollers Pitty, dem die Modelle Wiesel und Berlin folgten. Davon wurden insgesamt fast 240.000 Stück hergestellt, bis 1963 der Serienanlauf des Nachfolgetyps Troll erfolgte, der das letzte Ludwigsfelder Rollermodell werden sollte.

Eine auf dem 7. Deutschen Bauernkongreß im März 1962 formulierte Forderung nach leistungsfähigen Lkw für die Landwirtschaft und die längst fällige Erneuerung des Fahrzeugparks des volkseigenen Kraftverkehrs waren der Ausgangspunkt für die Neuprofilierung des Ludwigsfelder Werkes. Bereits im Juli 1962 konnte der erste Prototyp des späteren W 50, damals noch unter der Bezeichnung W 45, vorgestellt werden. Die völlige Neukonstruktion dieses Lkw zeigte die Handschrift erfahrener Konstrukteure des VEB Kraftfahrzeugwerk "Ernst Grube" Werdau. Der in Frontlenkerbauweise gestaItete Prototyp hatte eine Nutzmasse von 3,5 t im Gelände und 4,5 t auf der Straße. Diese Werte konnten bei der Weiterentwicklung zum W 50 noch übertroffen werden. Im Herbst 1962 folgten weitere Prototypen, u. a. eine Sattelzugmaschine.

Ein Ministerratsbeschluß vom 21. Dezember 1962 legte schließlich endgültig die Profilierung des Ludwigsfelder Werkes zum Produzenten des neuen Lkw fest, da die Fertigungskapazitäten in Werdau hinsichtlich der zu erwartenden Stückzahlen nicht ausgereicht hätten. Damit waren die Weichen gestellt, und am 1.April 1963 begann die Projektierung eines völlig neuen Werkes. Nachdem reichlich ein Jahr später die Grundsteinlegung erfolgt war, lief am 1. Juli 1965 die Produktion an. Zwei Wochen später verließ der erste W 50 das Montageband.

Erster produzierter Typ war die Pritschenausführung W 50 L, 1966 folgten der Kipper und das Kofferfahrzeug. Die bis 1967 gefertigten Fahrzeuge wurden von einem im Wirbelkammerverfahren arbeitenden 81 kW Dieselmotor angetrieben, der letztendlich eine Weiterentwicklung des Triebwerks des Lkw S4000-1 darstellte. Danach erfolgten schrittweise Verbesserungen. Einige Beispiele: 1967 wurde die Kraftstoffaufbereitung auf Direkteinspritzung und Mittenkugelverbrennung nach MAN-Lizenz umgestellt. Dies führte zu einer Leistungssteigerung auf maximal 92 kW bei gleichzeitiger Senkung des Kraftstoffverbrauchs und Erhöhung der Lebensdauer des Motors. Weiterhin wurde 1969 die bisherige Ratschenhandbremse durch eine Federspeicher-Feststellbremse ersetzt. Mitte 1973 wich die Schneckenlenkung der mechanischen Kugelumlauflenkung, und seit 1974 wird die überarbeitete Bremsanlage mit ALB eingebaut.

Inzwischen entstanden über 50 Grundvarianten und rund 240 Modifikationen des W 50. Bis Ende 1985 wurden insgesamt rund 430000 Lkw gefertigt. Der Exportanteil liegt bei 70 Prozent. W-50 Fahrzeuge sind in mehr als 40 Ländern im Einsatz. Neben der Typenpflege und zahlreichen Detailverbesserungen beschäftigten sich die Ludwigsfelder Konstrukteure seit den 70er Jahren mit der Entwicklung eines Nachfolgemodells mit höherer Tragfähigkeit, leistungsstärkerem Sechszylinder-Dieselmotor und Kippkabine. So konnte zur Leipziger Herbstmesse 1986 der neue Typ L 60 vorgestelIt werden . Die Serienfertigung begann 1987, zunächst parallel zum bewährten Modell W 50.

Abgesehen vom äußeren Erscheinungsbild handelt es sich beim L60 um eine Neuentwicklung. Völlig neu konzipiert wurde der Antriebsstrang. Sechszylinder-Dieselmotor, Achtgang-Wechselgetriebe und Außenplantenachsen sind bestimmende Merkmale. Ebenfalls neu gestaltet wurden Rahmen, Lenkung und Bremslage. Die kippbare Kabine erhielt eine neue Innenausstattung. Vom W 50 wurde das Baukastensystem übernommen, welches eine umfassende Variantenbreite gestattet.

Technische Daten ausgewählter W 50-Lkw

Typ   Radformel Aufbau Leermasse (kg) Nutzmasse (kg)
         
W 50 L   4x2  Pritschenwagen 4400  5350
W 50 L/Sp 4x2  Speditionsfahrzeug 4550 5200
W 50 L/LB 4x2  Pritschenwagen mit hydraulischer Ladebordwand 5210  4300
W 50 L/FP   4x2 Pritschenwagen (langes Fahrerhaus) 4600  5350
W 50 L/BTP 4x2  Bautruppfahrzeug 5400  4000
W 50 LA/PV     4x4  allradgetriebener Pritschenwagen  5300  4900
W50 WPVB-1N  4x4  allradgetriebener Pritschenwagen  (Niederdruckbereif., Stahlpritsche) 5900   3000
W50 L/K 3 SK 5 4x2 Dreiseitenkipper 4810  5050
W50 WZ3SK5 4x4  allradgetriebener Dreiseitenkipper (16 Mp Zugkraft)  5650   4950
W 50 LA/K-MK5/6 4x4  allradgetriebener. Muldenkipper 5500 5650
W50 L/NKP-1 4x2  Kofferfahrzeug (Stahlleichtbaukoffer) 4950 4800
W50 L/IKP-1 4x2  Isolierkofferfahrzeug (Stahlleichtbaukoffer)  5770  4900
W 50 LtW 4x2  Werkstattkofferfahrzeug   5500  4000
W50 UMK   4x2  Möbelkofferfahrzeug 5650 3750
W50 WETK 4x4 allradgetriebenes. Kofferfahrzeug 6900   3200
W50 L/S mit HLS 100.02 4x2 Pritschensattelzug 7550 10.000
W50 L/S mit HLS 90.48/1 4x2 Mischfuttersattelzug  8850 9000
W50 LA/WT 80 P 4x4 Wassertankwagen 5800 5000
W50 LA/KT 4601    4x4 Kraftstofftankwagen 5900 5000
W 50 LA/AB    4x4 Abschlepp- und Bergefahrzeug 11500  
W50 WTLF 4x4 Tanklöschfahrzeug 10850  
W 50 L/LF 16    4x2 Löschgruppenfahrzeug  9700  
W 50 L/DL 30  4x2 Drehleiterfahrzeug 10200  

 

ulis
aktualisiert am
26.11.02

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